Die Angst und die SPD

15. Januar 2016

Ein Kommentar von Daniel Mann, stellv. Juso-Landesvorsitzender

Angst, so heißt es sei ein schlechter Ratgeber. Angst ist allumfassend, irrational, schränkt die eigene Freiheit ein. Seit der Silvesternacht von Köln - so scheint es - müssen wir über Angst reden. Es gibt nachvollziehbare Ängste in unserem Land: Wenn jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt macht.

Wenn viele dieser Übergriffe im vermeintlich sicheren Umfeld passieren – in der Familie, in der Partnerschaft, im eigenen Freundeskreis – dann muss uns das Angst machen. Diese unerhörte Realität unserer Gesellschaft muss nachdenklich stimmen, muss zu Konsequenzen führen: sei es durch eine Verschärfung des Strafrechts (Stichwort: „No means No!“), sei es durch eine bessere Bereitstellung von Schutzräumen (z.B. Frauenhäusern), sei es durch die konsequente Ächtung des „victim blaiming“. Dies wären einige Beispiele, wie man mit konkreter und abstrakter Angst politisch umgehen könnte: Die Ängste erstnehmen und vernünftige und durchdachte Vorschläge unterbreiten, wie eine Gesellschaft angstfreier werden kann. Um solche Lösungen durchzusetzen aber bedarf es Mut und Durchhaltevermögen - groß ist schließlich die Front der konservativen AntifeministInnen.

So wird auch wenig diskutiert über solche Vorschläge. Oder darüber, dass Kriminalitätsbekämpfung besser durch soziale und wirtschaftliche Integration gelingt, als durch Abschreckung und Strafe. Lieber überbieten sich VertreterInnen aller Parteien in immer neuen Forderungen nach „konsequenter Strafverfolgung“, schnelleren Abschiebungen und neuen Einschränkungen für Asylsuchende. War der Slogan „kriminelle Ausländer raus“ in den 1990er Jahren noch ein etablierter NPD Wahlkampfspruch, gegen den Menschen zu Tausenden auf die Straße gingen, so schafft es im Jahr 2016 der SPD Bundesvorsitzende genau dasselbe öffentlich zu fordern, ohne mit der Wimper zu zucken! Eines von vielen schockierenden Beispielen für die Verschiebung des politischen Diskurses an den rechten Rand. Es scheint nach dem vergangenen Jahr ein eingespieltes System zu sein, dass PEGIDA schreit und die Politik gehorcht. Aus purer Angst vor dem braunen Mob, aus purer Angst davor zuzugeben, dass unsere eigene Gesellschaft ein Sexismusproblem hat. Es ist natürlich viel einfacher dieses Problem den Anderen zuzuschreiben, den Neuen, denen, „die man schnell wieder los wird“.

Dass sich nun allen Ernstes der CSU Generalsekretär hinstellt und fordert „straffällige Flüchtlinge“ ohne Prozess abzuschieben, kann nur Menschen überraschen, die das letzte Jahr Bundespolitik nicht verfolgt haben. Woher Herr Scheuer dann wissen will, wer straffällig ist, wird erstmal sein Geheimnis bleiben. Immerhin: Die SPD darf sich jetzt ein paar Tage als Stimme der Vernunft gönnen, und dann die nächste Asylrechtsverschärfung mittragen. Wenn sie diese nicht gar selbst fordert. Ein Parteivorsitzender, welcher sich öffentlich schnellere Abschiebungen wünscht, weil „Die Androhung, in der Heimat hinter Gitter zu kommen, die Täter zudem weit mehr abschreckt als eine Haftzeit im deutschen Gefängnis.“ wird wohl kaum den deutschen Rechtsstaat gegen solche offensichtlichen Angriffe von rechts verteidigen.

Unsere Gesellschaft wird gerade von Angst regiert. Angst vor dem Fremden, Angst vor dem Kontrollverlust, Angst davor, „dass die Stimmung kippt“. So ist es wohl auch nur Konsequent, dass in unserer Partei die Schisser den Ton angeben: Genossinnen und Genossen, die so viel Angst vor dem Rassismus der eigenen AnhängerInnen haben, dass sie sich von der CSU treiben lassen. So viel Angst vor den neuen Rechten, dass sie lieber selbst immer menschenverachtendere Forderungen aufstellen, als sich vom politischen Gegner Schwäche unterstellen zu lassen. So viel Angst vor der nächsten Wahlniederlage, dass sie auch noch ihr letztes bisschen an Überzeugungen über Bord werfen. Und so spielen sie alle mit den Ängsten der Menschen um ihre eigenen zu übertünchen.

Mit der Politik der Angst aber, wird die SPD nicht Punkten können. Auf jede Politik der Härte durch die Sozialdemokratie finden konservative und rechte noch zehnmal schlimmere Antworten. Wenn die einzige Antwort der SPD auf die Vorfälle von Köln die Kriminalisierung von Ausländern und der Ruf nach Abschiebung ist, dann hat sie sich von einer sozialdemokratischen Analyse von Kriminalität schon lange verabschiedet. Wenn Sigmar Gabriel afrikanische Staaten dazu zwingen will „straffällige Asylbewerber“ zurückzunehmen in dem er mit dem Entzug der Entwicklungshilfe (sic!) droht, dann hat er weder das Menschenrecht auf Asyl verstanden, noch schert er sich einen Dreck um internationale Solidarität. Er will einzig und allein am deutschen Stammtisch Punkten, je nationalchauvinistischer, desto besser. So lange aber populistische Schisser mit rassistischen Denkmustern aber die Geschicke der SPD lenken, wird sie keinen Blumentopf gewinnen. Denn dieses Spiel mit der Angst beherrschen CSU, AfD und Co. um Welten besser – aller Gabrielschen Bemühungen zum trotz

Es bräuchte eine mutige SPD, die Kante zeigt, gegen all die rassistischen Interpretationen von Köln, die wirklich an eine offene Gesellschaft glaubt und echte sozialdemokratische Antworten gibt. Die das Problem des Sexismus und der sexualisierten Gewalt in unserer Gesellschaft wirklich ernst nimmt und nicht so tut, als könnte man dieses wortwörtlich einfach abschieben. Eine SPD, die sich nicht von Angst treiben lässt, sondern wieder für eine Gesellschaft kämpft, in der niemand mehr Angst haben muss.

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