Nach der Wahl: Große Koalition so gut wie unmöglich

24. September 2013

Mit einem Schreiben an alle Mitglieder haben die Jusos Bayern deutlich gemacht, dass eine große Koalition angesichts der hohen inhaltlichen Hürden fast ausgeschlossen sei. Ein Eintritt der SPD in eine Regierung sei nur möglich, wenn die Inhalte, mit denen die SPD die Wahl bestritten habe, umgesetzt würden. Dazu gehöre die Einführung der Bürgerversicherung, der Mindestlohn, ein gerechteres Steuersystem, die Abschaffung des Betreuungsgeldes, die Bekämpfung des Missbrauchs von Leiharbeit, Befristungen und Werkverträgen. Eine Regierungsbeteiligung, in der die SPD abermals die eigenen Ziele und Werte aufgebe, schade der Sozialdemokratie und dem Parteiansehen.

Das Schreiben im Wortlaut

Liebe Genossin, lieber Genosse,

wie so oft nach Wahlen gibt es auch bei dieser ein lachendes und ein weinendes Auge. Das lachende sieht ganz klar die Gewinne der SPD und vor allem, dass wir bei den Wählerinnen und Wählern unter 35 nochmal deutlich stärker gewonnen haben. Das spricht für den hervorragenden Wahlkampf, den die Jusos gemacht haben und den vor allem ihr vor Ort geführt habt. Mit plus sechs Prozent bei den 18- bis 24-jährigen und plus fünf Prozent bei den 25- bis 34-jährigen haben wir einen großen Erfolg errungen. Den habt ihr mit eurer Arbeit und eurem Engagement möglich gemacht. Dafür ganz herzlichen Dank!

Das weinende Auge sieht ebenso klar: Wir haben es nicht geschafft, für unsere Vorstellungen eine klare Mehrheit in Deutschland zu erkämpfen. Unsere Gewinne waren nicht groß genug, um die Verluste anderer Oppositionsparteien auszugleichen; auch wir sind mit unseren Inhalten und unserem Spitzenkandidaten nicht durchgedrungen gegen die Stimmung, dass unter Merkel alles hervorragend sei.

Aber: Angela Merkel hat ihre Mehrheit im Bundestag verloren. Sie hat zum zweiten Mal einen Koalitionspartner aufgerieben, diesmal sogar mit Totalschaden: dem FDP-Ausscheiden aus dem Bundestag.

Daraus ergibt sich die Frage, wie es weitergehen soll. Für den Juso-Landesvorstand ist klar: Wir haben die Wahl mit zentralen Inhalten bestritten: Der Bürgerversicherung, dem Mindestlohn, einem gerechteren Steuersystem, der Abschaffung des Betreuungsgeldes, der Bekämpfung des Missbrauchs von Leiharbeit, Befristungen und Werkverträgen, um nur einige zu nennen. Wir stehen bei unseren Wählerinnen und Wählern im Wort, diese Inhalte - auch die gerade nicht ausdrücklich genannten - auch umzusetzen. Deshalb kann und darf es keine Regierungsbeteiligung geben, bei der diese Inhalte nicht das Regierungshandeln bestimmen. Mit der Union scheint dies nicht möglich zu sein. Deshalb scheidet eine große Koalition in unseren Augen nach derzeitigem Stand aus. Eine Regierungsbeteiligung, in der unsere SPD abermals die eigenen Ziele und Werte aufgeben muss, schadet der Sozialdemokratie und dem Parteiansehen.

Auf der anderen Seite ist von unserem Spitzenpersonal immer betont worden, dass wir nicht mit der Linkspartei koalieren werden. Deshalb ist auch diese Option nicht unmittelbar möglich. Das Wahlergebnis vom Sonntag zeigt aber: Wenn die SPD wieder als führende Regierungspartei Verantwortung übernehmen will, dann wird dies wahrscheinlich nur mit rot-rot-grün möglich sein; in diesem Bündnis gibt es auch die größten inhaltlichen Übereinstimmungen. Deshalb müssen wir - wie die anderen beiden Parteien - ab sofort daran arbeiten, ein solches Bündnis ab der nächsten Bundestagswahl möglich zu machen. Diese Wahl muss die letzte gewesen sein, bei der rot-rot-grün als Option ausgeschlossen war. Wir brauchen eine klare Alternative für edesine linke Mehrheit in Deutschland, die für mehr Gerechtigkeit sorgt!

Kurzfristig aber heißt die Situation: Es gilt abzuwarten und deutlich zu machen, dass wir für die Inhalte und Themen stehen, für die wir angetreten sind; dass wir nicht bereit sind, diese Positionen für ein paar Ministerposten oder eine angebliche "staatspolitische Verantwortung" aufzugeben; sondern dass wir nur dann bereit sind, in eine Regierung einzutreten, wenn diese unsere Inhalte umsetzt. Der Ball dafür liegt jetzt bei Angela Merkel. Wir haben keinen Grund, von uns aus auf sie zuzugehen.

In diesem Sinne wollen wir in die Diskussionen der kommenden Tage gehen. Und wir bitten auch euch, vor Ort in euren Gliederungen, in den überörtlichen Parteigremien, in denen ihr vertreten seid und auch nach außen diese Position deutlich zu machen. Die Jusos und die SPD stehen für eine inhaltliche Alternative zur bisherigen Regierungspolitik. Dafür wollen wir streiten. Und daran wollen wir uns messen lassen.

Mit solidarischen Grüßen
Philipp Dees
Juso-Landesvorsitzender, für den Juso-Landesvorstand

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