Liebe Landesgruppe, lieber Martin, lieber Uli,
mit größtem Entsetzen haben wir gestern erfahren, dass ihr als Landesgruppe dem Asylrechtsver-schärfungsgesetz mit dem blumigen Namen „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ zustimmen wollt, obwohl es einen eindeutigen und einstimmigen Beschluss des Landesvorstands gegen dieses Gesetz gibt. Wir waren uns einig, dass es vor allem ein Schlag ins Gesicht der vielen ehrenamtlichen Helfer*innen in der Geflüchtetenhilfe darstellt und auch heute gilt noch der inhaltliche Ansatz dieses Papiers, mit dem wir die Ablehnung begründen. An der einstimmigen Abstimmung hierzu haben einige Landesvorstandsmitglieder von euch auch ohne Widerworte teilgenommen.
Dieses vorliegende Gesetz stellt eine Zäsur in der Asylgesetzgebung dar und treibt die Gesetzesverschärfungen der letzten Jahre auf die Spitze. Wir schließen uns der Einschätzung des ASJ-Bundesverbandes an, in dem es heißt „mit diesem Gesetz [geben wir] grundlegende Rechte und Werte unseres Staates auf“.
Laut unserem Beschluss sind folgende Gesetzesregelungen alle untragbar:
schnellstmöglich eine umfassende Evaluierung seitens des Bundesinnenministeriums der seit 2015 beschlossenen Gesetze im Bereich Flucht & Asyl hinsichtlich ihrer Wirksamkeit. Diese Evaluierung muss im weiteren Gesetzgebungsverfahren Berücksichtigung finden.
die Einbindung des Bundesrats in erforderlicher Weise in den Gesetzgebungsprozess, da schon die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes zur Zustimmungspflicht führt.
die Streichung von verfassungsrechtlich höchst kritischen Verschärfungen zur Abschiebehaft.
die Einhaltung des im Hinblick auf die Wahrung der Grundrechte und Menschenwürde rechtlich verpflichtenden Trennungsgebots, wonach u.a. vollziehbar Ausreisepflichtige nicht mit Strafgefangenen gemeinsam untergebracht werden dürfen. Die Voraussetzungen für ein Abweichen hiervon („Bestehen einer Notlage“) sind nicht gegeben.
die Streichung der von CDU/CSU geforderten „Duldung light“ (Status einer Duldung zweiter Klasse unter Verletzung europarechtlicher Regelungen) für Personen, die bei der Passbeschaffung und Identitätsklärung nicht ausreichend mitwirken ohne hierfür ggf. ein Verschulden zu haben.
Die Konkretisierung einer menschenwürdigen, praxistauglichen und realitätsnahen, Mitwirkungspflicht bei Identitätsklärung und Passbeschaffung.
Diese Punkte wurden zum jetzigen Stand der geplanten Verabschiedung bei weitem nicht abgearbeitet:
Die Einführung einer Zwei-Klassen-Duldung entspricht bei weitem nicht einem sozialdemokratischen Menschenbild, v.a. durch den Ausschluss von Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten.
Ein Innehalten in der aufgeheizten Debatte durch eine Evaluierung der bisherigen Gesetzgebung ist in weiter Ferne.
Die Haftverschärfungen stellen wiederum eine Zäsur im Umgang mit Menschen dar.
Die Verschärfungen des Ausweisungsrecht im Aufenthaltsgesetz haben massive Folgen für alle in Deutschland lebenden Ausländer*innen (schweres Ausweisungsinteresse schon bei einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten).
Liebe Landesgruppe,
dieses Gesetz hat von seinem Grundtenor, der laut der Stellungnahme des DGB in einer Reihe mit der Losung „Das Boot ist voll“ Ende der 1990er Jahre steht, nichts verloren. Eine Aufrechnung mit anderen Gesetzgebungen in diesem Paket gleicht zum einen einer Erpressung durch die Union, der ihr öffentlich unwidersprochen nachgebt, zum anderen verbittet sie sich durch die Auswirkungen, die diese Asylrechtsverschärfung auf viele Menschen haben wird.
Das grundlegende Element unserer Partei stellt das Streiten für diejenigen dar, die sonst keine starke Stimme haben. Deswegen fordern wir euch auf, am Freitag dem Beschluss des Landesvorstands folgend mit Nein zu stimmen.
Mit solidarischen Grüßen
Francesco Abate
Landesvorsitzender der AG Migration
Freya Altenhöhner
Vorsitzende der SPD Würzburg
Tobias Auinger
Juso-Vertreter im Landesvorstand
Eva-Maria Deppisch
Beisitzerin im Landesvorstand
Marietta Eder
Stellv. Landesvorsitzende
Ronja Endres
Landesvorsitzende der AfA
Ismail Ertug, MdEP
Beisitzer im Landesvorstand
Hannah Fischer
Beisitzerin im Landesvorstand
Josephine Harris
Beisitzerin im Landesvorstand
Daniel Jazdzewski
Vorsitzender AG Queer
Sebastian Koch
Beisitzer im Landesvorstand
Katarina Koper
Stellv. Juso-Landesvorsitzende
Andreas Mehltretter
Beisitzer im Landesvorstand
Josef Parzinger
Beisitzer im Landesvorstand
Marko Poggenpohl
Beisitzer im Landesvorstand
Anna Rasehorn
Beisitzerin im Landesvorstand
Katja Reitmaier
AsF-Vertreterin im Landesvorstand
Florian Ritter, MdL
Bezirksvorsitzender der SPD Oberbayern
Franz Schindler
Bezirksvorsitzender der SPD Oberpfalz
Anna Tanzer
Juso-Landesvorsitzende
Johanna Uekermann
Stellv. Landesvorsitzende
Carolin Wagner
Beisitzerin im Landesvorstand
Katja Weitzel
Landesvorsitzende der AG sozialdemokratischer Jurist*innen
Beisitzerin im Landesvorstand
Marion Winter
Landesvorsitzende der AG Bildung