Zur wiederholten Forderung der SPD-Landtagsfraktion nach einem nächtlichen Verkaufsverbot für Alkohol (Pressemitteilung der SPD-Landtagsfraktion vom 20.08.2010 „Endlich Rechtsgrundlagen für nächtliche Alkoholverkaufsverbote schaffen“) erklärt der Juso-Landesvorsitzende Philipp Dees:
„Der Landesparteitag der bayerischen SPD hat sich vor gut einem Monat mit großer Mehrheit gegen ein Verkaufsverbot für Alkohol an Tankstellen ausgesprochen. Dieser Beschluss ist selbstverständlich auch für die SPD-Landtagsfraktion bindend. Wir erwarten deshalb, dass die Fraktion und die zuständige Sprecherin ihre Kampagne einstellen und sich endlich zu einer vernünftigen Debatte zur Prävention vor übermäßigem Alkoholkonsum bereit finden.
Eine seriöse Auseinandersetzung mit nicht verantwortungsbewusstem Umgang mit Alkohol muss die Probleme so lösen, dass die große Mehrheit auch junger Menschen, die verantwortlich Alkohol konsumieren, nicht übermäßig eingeschränkt wird. Ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot ist hier der falsche Weg und kann im Übrigen auch leicht umgangen werden.
Die SPD-Landtagsfraktion sollte endlich damit aufhören, die bayerische SPD als Partei der Verbote und Jugendfeindlichkeit zu profilieren. Wir sind nach wie vor gerne bereit, der Landtagsfraktion in jugendpolitischen Fragen zur Seite zu stehen.
Der Landesparteitag fordert die SPD-Landtagsfraktion auf, unter Einbeziehung der Jusos, weiterer Jugendverbände sowie der Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker eine schlüssige Konzeption zu entwickeln, wie die durch die Nutzung des öffentlichen Raums entstehenden Konflikte insbesondere zwischen jungen Menschen und Anwohnerinnen und Anwohner aufgelöst und Alkoholexzessen junger Menschen vorgebeugt werden kann. Wir sprechen uns in diesem Zusammenhang ausdrücklich dagegen aus, dabei nur pauschale ordnungspolitische Maßnahmen einzusetzen, beispielsweise ein pauschales Verbot des Alkoholverkaufs zu bestimmten Zeiten oder ein pauschales Verbot bestimmter gastronomischer Veranstaltungsformen.
Obwohl der übermäßige Alkoholkonsum von jungen Menschen rückläufig ist und die breite Mehrheit junger Menschen „verantwortlich“ Alkohol konsumiert, wird die öffentliche Debatte um Jugendkultur derzeit vom Phänomen des sogenannten „Komasaufens“ dominiert. Dabei werden häufig zwei Phänomene überlappend diskutiert: Einerseits gibt es eine kleine Gruppe junger Menschen, die übermäßig und bis zur Gesundheitsgefährdung Alkohol konsumieren. Zum zweiten – und dies hat mit „Koma-Saufen“ nichts zu tun – treffen sich vor allem auch junge Menschen vielfach außerhalb von Gaststätten im öffentlichen Raum, teilweise wird dabei auch Alkohol konsumiert.
Beide Aspekte werden in der öffentlichen Auseinandersetzung vermischt. Da gerade durch das zweite Phänomen, die Nutzung des öffentlichen Raums durch junge Menschen, Konflikte entstehen (z.B. mit AnwohnerInnen beliebter Treffpunkte, die ein legitimes Interesse an der Einhaltung von Nachtruhe haben), wird das Phänomen des „Koma-Saufens“ oft als Vorwand verwendet, um die Verdrängung junger Menschen aus dem öffentlichen Raum insgesamt zu betreiben, bspw. durch städtische Verbote, in bestimmten Gebieten außerhalb von Gaststätten Alkohol zu konsumieren.
Die bei der Nutzung des öffentlichen Raumes entstehenden Konflikte lassen sich aber nur im Dialog lösen, indem zwischen den unterschiedlichen Interessen ein akzeptabler Ausgleich herbeigeführt wird. Maßnahmen, die vorrangig auf die Verdrängung bestimmter Personengruppen aus dem öffentlichen Raum abzielen, sind zur Lösung derartiger Konflikte ungeeignet. Dazu gehören zum Beispiel pauschale Verkaufsverbote für Alkohol zu bestimmten Zeiten oder auch pauschale Verbote bestimmter Veranstaltungsformen.
Eine seriöse Auseinandersetzung mit nicht verantwortungsbewusstem Umgang mit Alkohol muss die Probleme so lösen, dass die große Mehrheit auch junger Menschen, die verantwortlich Alkohol konsumieren, nicht übermäßig eingeschränkt wird. Bestehende Gesetze, die z.B. die Alkoholabgabe an Minderjährige regeln, sind selbstverständlich zu beachten und Verstöße konsequent und spürbar zu ahnden.
Der „verantwortliche“ Umgang mit Alkohol muss erlernt werden. Dafür brauchen junge Menschen Freiräume, in denen sie sich ausprobieren und ausleben können und in denen die Möglichkeit besteht, auch die eigenen Grenzen auszutesten. Erfahrungen zeigen, dass sich in den meisten (keineswegs in allen) Fällen innerhalb derartiger Freiräume eine Selbstregulierung junger Menschen einstellt, die gesundheitsgefährdende Alkoholexzesse wirksamer verhindert als Eingriffe „von außen“ durch Aufsichtspersonen, Sicherheitspersonal oder die Polizei.
Wir sprechen uns daher für eine Stärkung der Prävention beim Alkoholkonsum ein. Wir fordern aber auch sozialdemokratische Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker auf, in ihren Städten und Gemeinden durch Einrichtung von selbstverwalteten Jugendzentren oder Jugendclubs oder die Schaffung anderer, von jungen Menschen gewünschter Freiräume einzusetzen.