Gegen jede Gewalt! Für Differenzierung, für Menschlichkeit

14. Februar 2025

Nicht einmal einen Tag nach dem furchtbaren Angriff auf die ver.di-Streikversammlung in München fehlen die richtigen Worte. Doch es bleibt kaum Zeit, das Geschehene zu verarbeiten oder in Ruhe um die richtigen Worte zu ringen. Die politische Debatte nimmt keine Rücksicht und wenn wir uns nicht zu Wort melden, bestimmen andere die Diskussion.

Am 13. Februar raste ein 24-Jähriger mit Absicht in eine sich fortbewegende Versammlung. Die Demonstrierenden waren unsere Kolleg:innen, die für bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und die Anerkennung der öffentlichen Daseinsvorsorge kämpfen. Sie wurden in ihrem grundgesetzlich verankerten Recht auf Versammlung brutal und mit unvorstellbarer Gewalt verletzt. Viele erlitten körperliche, fast alle psychische Verletzungen. Die Tat muss verurteilt werden – ohne Kompromisse und ohne Wenn und Aber!

Keine zehn Stunden nach der Tat versammelten sich Kolleg:innen erneut, diesmal am Odeonsplatz – nicht nur aus Trauer, sondern um sich gegen eine zweite Attacke zu wehren: die politische Instrumentalisierung der Tat. Diejenigen, die Opfer der Gewalt wurden, wollen nicht auch noch Opfer der Debatte werden. Es war eine eindrucksvolle Kundgebung. Die Streikenden arbeiten in Bereichen, in denen viele Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigt sind. Einige hatten sich noch am Wochenende zuvor bei der großen Demo auf der Theresienwiese, deren Bilder um die Welt gingen, für eine offene Gesellschaft eingesetzt. Ihre Botschaft ist klar: Gewerkschaften stehen füreinander ein. Egal welche Herkunft, Hautfarbe oder Sprache – wir sind vor allem Kolleg:innen.

In die Trauer mischt sich Wut. Wut auf Politiker, die ohne Ermittlungsergebnisse Konsequenzen fordern und eine Verschärfung der Migrationspolitik propagieren. Auch unser Bundeskanzler und mein Parteigenosse Olaf Scholz stellte sich vorschnell hin und sagte, der Täter werde das Land verlassen müssen. Auch er ist bei der Wut mitgemeint. Wo bleibt die Rechtsstaatlichkeit? Diese Wut ist berechtigt und keine Naivität. Wir müssen ganz klar sein:

Ja, wir brauchen harte Strafen für solche Gewalttaten und ja, die Täter müssen ohne Rücksicht auf ihre Herkunft eine harte Strafe erfahren. Dem aktuellen Ermittlungsstand zufolge handelt es sich um einen islamistischen Anschlag. Deshalb ganz deutlich: Nein, Islamismus und religiöser Extremismus haben in unserer Gesellschaft keinen Platz. Und ja, die politische Linke muss Islamismus entschiedener bekämpfen und mehr als bisher klare Worte finden. Wir dürfen nicht aus Angst vor rassistischen Debatten islamistische Gewalt nicht benennen.

Die richtige Debatte ist eine Debatte über mehr Integration, mehr Prävention aber auch: den Sicherheitsbehörden mit Augenmaß die nötigen Befugnisse zu geben, um islamistischen Terror genauso wie Rechtsterrorismus zu verhindern.

Entschiedenheit braucht Differenzierung. Wir müssen klar trennen zwischen der Gefahr, die von einer kleinen Zahl extremistischer Täter ausgeht, und dem Schutz grundlegender Menschenrechte, die für alle gelten – übrigens auch für diejenigen, die abscheuliche Taten begehen. Wer pauschal den Islam aus Deutschland ausschließt oder behauptet, die Migration sei unser größtes Problem, betreibt das Geschäft der Rechten. Die Maßnahmen, die eine Woche vor der Bundestagswahl diskutiert werden, zielen nicht auf Sicherheit ab, sondern auf Stimmungsmache. Sie lösen die Ängste und Sorgen der Menschen nicht, sondern verstärken sie.

Deshalb ist es wichtiger denn je, eine klare und deutliche Sprache zu finden wenn immer mehr und lauter geschrien wird: Viele, die zu uns fliehen, entfliehen genau jener Gewalt, die einige wenige auch bei uns verbreiten. Wir stellen uns gegen die Gewalt, nicht gegen Schutzsuchende. Auch wenn diese Botschaft inmitten von Hetze und Geschrei untergeht, bleibt sie essenziell. Wir müssen sie immer wieder wiederholen.

München wird sich weiter wehren – gegen die Instrumentalisierung dieser Tat, gegen Islamismus und gegen Spaltung unserer Gesellschaft. Und München wird offen bleiben für alle, die Schutz brauchen. Es ist die Idee der Gewerkschaften, auch meiner Gewerkschaft, dass wir zusammenstehen. Solidarität braucht es vor allen in dunklen Zeiten und diese dunklen Zeiten sind jetzt.

Persönlicher Blogbeitrag von Benedict Lang

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