Bildung bedeutet weit mehr als nur ein Aufstiegsversprechen oder eine Qualifizierung zu ökonomischer Verwertbarkeit. Bildung bedeutet die individuelle Vollendung des aufklärerischen Ideals der Befreiung aus Unmündigkeit. Deutschland aber lähmt sich selbst in diesem Bereich.
Marode Schulen und Universitäten, Wiedereinführung von Studiengebühren, immer größere Angewiesenheit auf private Gelder sind die Symptome eines in weiten Teilen kaputt gesparten Bildungssektors. Sie sind aber auch Symptome einer ideologischen Aufladung durch die konservative Bildungspolitik, die in den vergangenen Jahren vollzogen wurde.
Bildungspolitik ist in unseren Augen eine der zentralen staatlichen Aufgaben. Sie bedeutet für uns, jedem Menschen die Möglichkeit zu geben an der Gesellschaft teilzunehmen. Der Staat muss deswegen bei allen Bildungseinrichtungen die Rahmenbedingungen schaffen, welche allen Menschen gleiche Chancen auf Bildung ermöglichen. Damit verbieten sich von der Kita bis zum Meistertitel oder Universitätsabschluss Kosten oder Gebühren für Bildung und berufliche Ausbildung. Ganztägige Betreuungsangebote und individuelle Förderung von der Kita bis zum Schulabschluss sind eine zwingende Voraussetzung, wenn dies realisiert werden soll. Eine Demokratisierung von Schule und Hochschule ist dabei genauso entscheidendes Kriterium einer zukunftsfähigen Bildungspolitik. In Bayern bedeutet dies konkret auch die sofortige Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft.
Das Abwirtschaften des Schulsystems hat weitreichendere Auswirkungen, als lediglich die Tatsache, dass Toiletten an den Universitäten nicht mehr den gewünschten hygienischen Standards entsprechen. Es ist auch noch viel weitgehender als zusammenbrechende Gebäude, wie es vor einigen Jahren mit der Erlanger Bibliothek passierte. Vielmehr werden in der Folge zentrale Ziele von Bildungspolitik selbst in Frage gestellt. Gerechtigkeit, als eines der zentralen Prinzipien aus welchem heraus der Staat Bildungspolitik betreibt, wird ersetzt durch einen reinen Wettbewerbsgedanken. Ständiger Zwang zum Wettbewerb zwischen Bildungseinrichtungen und Schüler*innen oder Studierenden lähmt alle Beteiligten. Die Wiedereinführung von Studiengebühren für ausländische Studierende in Baden Württemberg und Nordrhein-Westfalen durch Grüne, FDP und CDU ist nicht nur nationalistisch und regressiv, sondern auch ein Schritt zu mehr sozialer Selektion.
Eine weitere Sparmaßnahme, die nicht ohne Folgen bleiben wird, sind die Einstellungszahlen von Lehrkräften an bayerischen Schulen. Im Februar 2017 bewarben sich 674 Personen auf eine Stelle. 112 von ihnen, also 17% der Bewerber*innen, wurde eine Planstelle angeboten. Eingestellt wurden letztendlich gerade mal 104 Lehrer*innen. Es ist jedoch nicht so, als würden nicht mehr Lehrer*innen gebraucht werden. Viele werden befristet an den Schulen angestellt, verdienen durchschnittlich 500€ weniger als die verbeamteten Kolleg*innen und werden einen Großteil der Ferien nicht bezahlt. Auf der anderen Seite ist Bayern Spitzenreiter was die Klassenstärke und den Betreuungsschlüssel angeht. In der Grundschule beträgt die obere Grenze 28 Schüler*innen pro Klasse, an der Mittelschule 30 und an Realschulen und Gymnasien sogar 33. Individuelle Betreuung kann so nur schwer geleistet werden. Zum Vergleich: in Hessen werden in der Grund- und Mittelschule nur 25 Kinder zusammen in einer Klasse unterrichtet. Und auch am Gymnasium und an der Realschule beträgt die Klassenstärke 30 Schüler*innen.
Nichts davon passiert zufällig und schon gar nicht ohne Verantwortliche. Kommunen, Landesregierungen und Bundesregierung schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Jedoch zeigen sich hier eindeutig ideologische Überzeugungen, die Grüne, FDP und Union in BaWü und NRW dazu bewegten, nicht allen ein gebührenfreies Studium zu ermöglichen. Es sind keine Alternativlosigkeiten, sondern bewusste politische Entscheidungen, die das bislang verhindern. Wenn die Toiletten der Universität wegen technischer Mängel über Wochen gesperrt sind, der Schulunterricht in manchen Fächern für Wochen ausfallen muss und individuelle Förderung und Betreuung am Nachmittag nicht möglich ist, ist es das Kooperationsverbot und die Verweigerung, Bildungseinrichtungen finanziell richtig auszustatten und der staatlichen Aufgabe Bildungspolitik zu betreiben nachzukommen, die dafür verantwortlich sind.