Autor: Manuel Sontheimer, Vorsitzender der Jusos Schwaben
Der Juni ist Pride Month – ein Monat der Sichtbarkeit, des Widerstands und der Solidarität mit queeren Menschen. In den ersten beiden Jahrzehnten dieses Jahrhunderts schien vieles auf einem guten Weg: Zuspruch, Sichtbarkeit und gesellschaftliche Akzeptanz nahmen zu. Doch 2025 stehen wir an einem gefährlichen Wendepunkt.
In Ungarn werden CSDs verboten. In den USA wird queere Geschichte aus den Geschichtsbücher getilgt, drag bans kriminalisieren queere Kultur. In Deutschland nehmen queerfeindliche Übergriffe zu, Hass im Netz explodiert, und Nazis marschieren wieder – nicht nur in ostdeutschen Kleinstädten, sondern überall. Zugleich zeigt sich die Rückwärtsbewegung auch im vermeintlich Kleinen: Wenn das queere Netzwerk der Bundestagsverwaltung nicht am Berliner CSD teilnehmen darf. Wenn das Bayerische Sozialministerium in einem queerpolitischen Aktionsplan ernsthaft fordert, nur von zwei Geschlechtern zu sprechen. Wer solche „Details“ übersieht, verkennt, wie gefährlich das Klima geworden ist.
Denn Pride war nie bloß eine bunte Party. Sie ist – und bleibt – eine politische Demonstration. Ein Kampf für Freiheitsrechte, Sichtbarkeit, Sicherheit und Gleichberechtigung. Schon 1969 war das so, als queere Schwarze Menschen und trans* Personen in der New Yorker Christopher Street die Schnauze voll hatten von Polizeigewalt und staatlicher Repression. Die Stonewall Riots waren der Aufstand von Menschen, die nichts mehr zu verlieren hatten. Ihr Mut hat den Weg geebnet – bis heute. The first Pride was a riot!
Doch diese politische Dimension wird von mehreren Seiten angegriffen.
Immer mehr CSDs werden von Unternehmen gekapert, die einmal im Jahr ihre Logos in Regenbogenfarben tauchen, Pride-Kollektionen auf den Markt werfen und mit dem Leben anderer Menschen Profite machen. Das nennt man Pinkwashing. Dabei geht es nicht um queeres Leben, sondern um Marketing. Um Umsatz. Um Imagepflege. Konzerne, die keine aktive queere Gleichstellungspolitik betreiben, queere Mitarbeitende nicht schützen oder sogar an queerfeindliche Parteien spenden – sie haben auf CSDs nichts verloren. Wir sagen klar: Teilnahme nur bei nachweisbarem queerpolitischem Engagement!
Gleichzeitig wächst der Druck von rechts. CSDs müssen abgesagt oder massiv geschützt werden. In mehreren Städten gab es zuletzt Gewaltandrohungen, Übergriffe und gezielte Hetze. Die Polizei ist dabei oft selbst Teil des Problems: durch mangelnde Sensibilisierung, durch Racial Profiling, durch Gleichgültigkeit. Es kann nicht sein, dass Menschen, die für ihre Grundrechte auf die Straße gehen, von der Polizei nicht geschützt – oder gar bedroht – werden.
Queere Menschen brauchen Räume der Sicherheit und Sichtbarkeit. Besonders junge Menschen, die sich in ihrer Identität noch unsicher sind oder gerade erst anfangen, sich selbst zu finden. CSDs sind für sie oft der erste Ort, an dem sie erleben: Ich bin nicht allein. Ich darf existieren. Ich bin richtig.
Doch genau diese Sichtbarkeit ist auch mit Gefahr verbunden. Wer offen queer lebt, lebt mit der ständigen Bedrohung von Ausgrenzung, Übergriffen und Hass. Das gilt in Großstädten – und noch viel mehr auf dem Land.
In vielen bayerischen Städten gibt es erst seit Kurzem überhaupt CSDs – organisiert von jungen queeren Menschen, ehrenamtlich, oft mit wenigen Mitteln und unter massivem Gegenwind. Dort sind sie keine großen Events, sondern mutige politische Akte. Sie schaffen Sichtbarkeit, wo zuvor Schweigen herrschte. Und sie verdienen unsere volle Solidarität. Als Jusos stehen wir besonders an der Seite dieser kleinen, kämpfenden Initiativen.
Es ist unsere Aufgabe, queere Bewegungen im ganzen Land zu stärken: Mit Förderprogrammen, Bildungsarbeit an Schulen, Schutzkonzepten, sicheren Räumen und politischen Mehrheiten, die aktiv gegen Queerfeindlichkeit kämpfen – nicht schweigend zuschauen. Gerade dort, wo es unbequem ist.
Besonders junge queere Menschen brauchen nicht nur Schutz, sondern Empowerment. Sie sollen nicht in einer Welt aufwachsen, in der Coming-Outs mit Angst, Scham oder sozialem Ausschluss verbunden sind. Sie brauchen Vorbilder, sichere Orte und das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die sie trägt. CSDs können genau das leisten – wenn sie nicht zur Marketingplattform verkommen, sondern sichtbar politisch bleiben. Deshalb fordern wir: Mehr queere Jugendarbeit, niedrigschwellige Angebote im ländlichen Raum, psychosoziale Anlaufstellen, queere Perspektiven in der Schule – und die politische Rückendeckung, die junge Menschen stark macht, statt sie alleine zu lassen.
Wir Jusos sagen klar: Kein Fußbreit den Rechten, keine Bühne dem Pinkwashing. Wir kämpfen für eine solidarische, vielfältige Gesellschaft – in Bayern, in Berlin, überall. Wir stehen auf der Seite derer, die für ihre Freiheit kämpfen. Nicht nur im Juni, sondern jeden Tag.
Denn Pride war nie bequem. Pride war nie angepasst.