WTF SPD - wo bleiben die 15€?

Autor: Tolga Dalkilic, Beisitzer im Landesvorstand

Am 27.06. hat die Mindestlohnkommission entschieden, dass der Mindestlohn 2026 auf 13,90 Euro steigen soll. Wir haben von der SPD eine harte Reaktion auf diese Entscheidung erhofft. Doch es kam nichts. Der Beschluss der Mindestlohnkommission wurde trotz Wahlversprechen bedingungslos akzeptiert. Die 15 Euro sind jedoch entscheidend, um die Armut in Deutschland zu bekämpfen. Ein erklärtes Ziel der Sozialdemokratie.

Stell dir vor, du arbeitest Vollzeit für den Mindestlohn und bekommst am Ende des Monats trotzdem Probleme mit den Einkäufen, den Bedürfnissen deiner Kinder oder weil plötzlich dein Fahrrad kaputt geht. Was für viele eine Vorstellung ist, ist für andere Menschen in Deutschland Realität. Denn Millionen Menschen und Familien leben trotz Arbeit in Armutsgefährdung und müssen aufstocken oder staatliche Leistungen beantragen. Der Staat subventioniert damit die viel zu geringen Löhne durch die Arbeitgeber.

Dabei sollte die Vorstellung naheliegender sein, dass Menschen in Vollzeit nicht mit solchen Schwierigkeiten leben müssen. Fakt ist, dass jedoch rund 1.55 Millionen Vollzeitbeschäftigte (4,4%) davon betroffen sind. Bei den restlichen Beschäftigten ist der Anteil teils deutlich höher. Womit in Deutschland mehrere Millionen Angestellte und Arbeiter*innen in armutsgefährdeten Verhältnissen leben. Wir nennen das die Armutsgefährdungsquote.

Weshalb es ausgerechnet die 15 Euro ab 2026 braucht.
Wir fordern die 15€ nicht, weil wir die Zahl so schön finden, oder sie gut teilbar ist. Sondern weil sie unseren und den europäischen Vorstellungen eines armutsfesten Lohns am nächsten kommt. Denn wir können einfach ausrechnen, ab welchem Lohn Menschen eher in Armutsgefährdung geraten.

Es ist übrigens auch ein Versprechen, das wir gegeben haben. Denn Deutschland hat gemeinsam mit den anderen EU-Ländern die europäische Mindestlohnrichtlinie verabschiedet. Die klare Kriterien vorgibt, wie ein Mindestlohn in den Ländern aussehen muss. Diese Kriterien werden in Deutschland bei weitem nicht eingehalten. Denn unter diesen Kriterien hätte der Mindestlohn schon 2025 rund 15€ betragen müssen. Er liegt aktuell aber nur bei 12,82€ pro Stunde.

Der Niedriglohnsektor betrifft uns alle.
Wie oben schon angedeutet, erkennt die Bundesregierung die schwierige Lage der Menschen an, die trotz Arbeit zu wenig verdienen. Sie hilft diesen Menschen, Haushalten und Familien dann mit staatlichen und sozialen Leistungen aus. Mit Wohngeld, Aufstockung, Kinderzuschlag und so weiter…

Es ist daher doppelt perfide. Einerseits wissen wir, dass der aktuelle und kommende Mindestlohn nicht ausreicht. Zahlen staatliche und soziale Leistungen an die betroffenen Menschen, Familien und Haushalte. Und andererseits bestärken und beschützen wir die Entscheidungen der Kommission. Statt notwendige Kriterien in das Gesetz einzuarbeiten oder die Kommission ganz aufzulösen.

Doch es ist nicht nur die Situation der arbeitenden Menschen in Armutsgefährdung entscheidend. Denn neben der statistischen Definition gibt es noch weitere Millionen Menschen in Deutschland die aufgrund von hohen Lebensunterhaltungskosten - insbesondere in Städten - kaum in der Lage sind vermeintlichen Luxus wie Vermögen und Eigentum aufzubauen, eine Familie mit Kindern zu gründen oder sich auch nur einen guten Urlaub zu gönnen.

Und auch darauf hat der Koalitionsvertrag keine Antwort.
Denn neben dem gebrochenen Versprechen der SPD, den Mindestlohn schon 2026 auf 15€ zu erhöhen, erhält der Koalitionsvertrag sonst kaum Ambitionen zur nachhaltigen Senkung von Mieten, Abgaben, Kosten für Mobilität und die Kindererziehung. Im Gegenteil. Aktuell steigen die Kosten für Mobilität wieder, die Beiträge für die Renten- und Krankenversicherung ebenso und eine notwendige Kindergrundsicherung ist noch lange nicht in Sicht. Und das obwohl jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut lebt oder von Armut betroffen ist.

Union und SPD haben im Koalitionsvertrag keine ausreichende Antwort darauf. Und die SPD vergrößert damit ihr Glaubwürdigkeitsproblem. Die Bundesregierung versteht nicht, dass die Dimensionen von Lohnarmut in Deutschland ganze Gesellschaftsschichten, ihre Kinder und Kommunen betreffen. Und eine gerechtfertigte Erhöhung des Mindestlohns ein entscheidender Teil zur Lösung sein kann.

Denn letztendlich bedeuten höhere Löhne auch höhere Steuereinnahmen, stabilere Rentenkassen und mehr Konsum.

Es ist nicht zu spät für eine Erhöhung auf 15€!
Was Union und SPD auch verstehen müssen, ist, dass Menschen ihre kostbare Lebenszeit für ein Unternehmen aufopfern. Sie geben also einen großen Teil ihres Lebens für ein fremdes Unternehmen her und profitieren dann nicht einmal mit einem armutsfesten Lohn. Ein Armutszeugnis. Insbesondere, wenn man betrachtet, wie gut die Chefetagen deutscher Unternehmen verdienen und welche Produktivitätssteigerungen es in den letzten Jahrzehnten in ausnahmslos allen Branchen der Bundesrepublik gab.

Und nun? Was jetzt?

Noch hat das Bundeskabinett nicht über den Vorschlag der Mindestlohnkommission entschieden. Es ist daher noch nicht zu spät, um die SPD an ihren eigenen Auftrag zu erinnern und für die 15€ zu kämpfen! Macht auf das Thema aufmerksam. Erzählt es euren Eltern, Familie und Freund*innen und versucht gemeinsam eure Abgeordnete(n) an ihr Wahlversprechen zu erinnern. Ein Versprechen das uns als Genoss*innen auch während der Mitgliederabstimmung zum Koalitionsvertrag gegeben wurde.

Euer Engagement unterstützen die Jusos Bayern durch eine eigene Kampagne. Beiträge in den Sozialen Netzwerken, Kontakt mit Abgeordneten und einer Mitgliederaktion - in welcher DU bald mitmachen kannst! Stay tuned.